Dieser Text stellt ein alternatives Ende des Werkes dar. 30 Jahre später erhält man einen Einblick in das Leben, welches Tobias sich aufgebaut hat.
Die Mutter sass am Küchentisch, ihre Stirn war leicht gerunzelt, während sie interessiert in der Zeitung von gestern blätterte. Der Geruch von frisch gebackenem Brot lag in der Luft. Im Nebenzimmer herrschte ein buntes Durcheinander. Das kleine Mädchen spielte mit farbigen Bauklötzchen, während der ältere Bruder seinem Vater begeistert seine neuste Zeichnung eines Pudels zeigte. Als es an der Tür klingelte erhob sich der Vater widerwillig und öffnete die Tür. «Sind sie Tobias?», wollte eine alte Frau wissen. Tobias erwiderte ihren freundlichen Blick und nickte. Sie gab ihm einen Umschlag, der versehentlich in ihrem Postfach gelandet sei. Nach einer kurzen Unterhaltung verabschiedete sich die Frau und Tobias musterte den Umschlag neugierig. "Frau, kannst du kurz mit den Kindern spielen?", bat er seine Frau, welche ihn fragend anschaute. Er schwenkte den Umschlag in seiner Hand, um zu demonstrieren, dass er ein bisschen Privatsphäre wollte. Verständnisvoll lächelte sie ihn an und gesellte sich zu den Kleinen. Tobias ging in sein Arbeitszimmer, schloss die Tür und setzte sich hin. Zögernd blickte er auf den Brief. Er kannte die Adresse auf dem Umschlag nur zu gut. Erinnerungen durchzuckten ihn wie Blitze. Laut ein und ausatmend fasste er schliesslich den Mut den Umschlag zu öffnen. “Wir nehmen Abschied von Thiel. In unendlicher Trauer und Dankbarkeit: seine Familie”. Emotionslos las Tobias die Meldung noch ein zweites Mal. Er horchte in sich hinein, wartete auf irgendeine emotionale Regung, doch diese blieb aus. Weder Trauer noch Hass noch Erleichterung. Gar nichts. Sein Vater war für ihn schon lange gestorben. Seine Todesmeldung liess ihn kalt. Er blickte aus dem Fenster, hinaus in den Garten. Die grünen Wiesen zogen sich bis zum Horizont. Auf der linken Seite in der Ferne durchschnitt eine Eisenbahnlinie die schöne Natur. Bei ihrem Anblick erstarrte Tobias Miene für einen Moment. Es hatte lange gedauert, bis er sich wieder in die Nähe einer Eisenbahn gewagt hatte. Ganz geheuer war es ihm noch heute nicht. Gedankenversunken dachte er zurück, an den schicksalhaften Tag.
Tobias wachte im Krankenhaus auf. Sein Kopf schmerzte. Die vielen Stimmen holten ihn aus dem schwarzen Loch, in welchem er sich bisher befand. Die knöcherne Brust des Jungen hob und senkte sich gleichmässig. Ein Gefühl der Übelkeit breitet sich in seinem Körper aus. Der Junge keuchte vor Schmerzen. Es durchzuckte seinen kleinen, zarten Körper so stark, dass er sich nicht mehr halten konnte und zurück in einen Zustand der Ohnmacht verfiel. Die nächsten paar Wochen verstrichen allesamt gleich. Tobias befand sich in einem Zustand zwischen wach und bewusstlos. Die Pfleger meinten er sähe aus wie ein Häufchen Elend. Er ass, er schlief. Thiel stand ihm bei. Anfangs täglich. Nach einiger Zeit erschien er seltener. Tobias begann ihn zu vermissen. Er fühlte sich alleine und konnte es kaum erwarten endlich wieder nach Hause zu kommen. Lene hatte ihn bloss ein einziges Mal besucht. Zum Glück. Er mochte sie nicht besonders, obwohl die Leute sagten, dass man seine Mutter lieben sollte. Nach einigen Monaten war Tobias wieder gesund genug, um nach Hause zu gehen. Zu Hause hatte sich nichts verändert.
|
Damals kannte Tobias es nicht anders. Alles ging so zu und her, wie er es sich gewöhnt war. Erst viel später erkannte er, was ihm in seiner Kindheit widerfahren war. Erst jetzt wusste er, dass nicht alle Familien so waren, wie seine es war. Nicht alle Kinder wurden von ihrer Mutter geschlagen. Nicht alle Väter liessen es zu, dass ihr Kind misshandelt wurde.
Tobias löste den Blick von der Eisenbahnlinie. Er strich sich die Haare aus dem Gesicht und atmete ein paar Mal tief durch. Es klopfte an der Tür und seine Frau betrat den Raum. Stumm deutete Tobias auf den Brief vor sich. Sie überflog die Todesanzeige mit starrer Miene, schloss den Umschlag und musterte ihren Mann. Schliesslich nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn zum Kinderzimmer, wo er sogleich von seiner Tochter angesprungen wurde. "Nein", dachte er, "es sind definitiv nicht alle Familien gleich." Als er damals alt genug war, machte er sich auf und davon und schwor sich nie mehr zurückzublicken. Er baute sich ein glückliches Leben auf. Wurde Vater von zwei glücklichen Kindern und schwor sich ein besserer Vater zu sein, als sein Vater er jemals gewesen war.
|
Kommentar:
Ziel dieses alternativen Endes der Geschichte ist es, dem Leser eine andere Perspektive zu geben. Da Tobias im Mittelpunkt des Geschehens steht, haben wir auch die Sprache an ihn angepasst. Bahnwärter Thiel ist ein eher rauer, bedenklicher und grober Mann, während Tobias als zarter Junge beschrieben wird. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschlossen, sprachlich nicht den gleichen Stil zu verwenden, den Gerhart Hauptmann benutzt. Mit dem Gebrauch vieler schöner Adjektive, versuchen wir zu verdeutlichen, dass Tobias zu einem komplett anderer Menschen wurde, als es Thiel war. Er soll als glücklicher Familienvater gesehen werden. Die Familienverhältnisse von Tobias Familie sollen im Kontrast zu seiner Kindheit stehen. Seine Kinder werden von ihm gut behandelt, während er selber von seiner Stiefmutter misshandelt wurde. Seine Frau ist ihm gleichgestellt. Sie ist weder herrschsüchtig, wie Lene es war, noch ist sie ihm untergeordnet, da die 1920er Jahren als goldene Jahre der Emanzipation galten. Klicken sie hier um mehr über die Rolle der Frau zu erfahren.
Ziel dieses alternativen Endes der Geschichte ist es, dem Leser eine andere Perspektive zu geben. Da Tobias im Mittelpunkt des Geschehens steht, haben wir auch die Sprache an ihn angepasst. Bahnwärter Thiel ist ein eher rauer, bedenklicher und grober Mann, während Tobias als zarter Junge beschrieben wird. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschlossen, sprachlich nicht den gleichen Stil zu verwenden, den Gerhart Hauptmann benutzt. Mit dem Gebrauch vieler schöner Adjektive, versuchen wir zu verdeutlichen, dass Tobias zu einem komplett anderer Menschen wurde, als es Thiel war. Er soll als glücklicher Familienvater gesehen werden. Die Familienverhältnisse von Tobias Familie sollen im Kontrast zu seiner Kindheit stehen. Seine Kinder werden von ihm gut behandelt, während er selber von seiner Stiefmutter misshandelt wurde. Seine Frau ist ihm gleichgestellt. Sie ist weder herrschsüchtig, wie Lene es war, noch ist sie ihm untergeordnet, da die 1920er Jahren als goldene Jahre der Emanzipation galten. Klicken sie hier um mehr über die Rolle der Frau zu erfahren.